Die Reise des Helden

„Ein Held, ob im Mythos oder in der heutigen Welt, ist jemand, der einen Ruf hört und ihm folgt.
Der Held ist das Potenzial jedes menschlichen Wesens, dem Impuls zu „etwas Größerem“ zu folgen.“
(Paul Rebillot & Melissa Kay, „Die Heldenreise – Ein Abenteuer der kreativen Selbsterfahrung“).

 

Die „Reise des Helden“ ist eine Erzählstruktur, die in vielen Menschheits-Mythen sowie in bedeutenden Werken der Literatur und des Films zu finden sind. Sie beschreibt erfolgreiche Veränderungsprozesse in einer dramatischen und zur Identifikation geeigneten Form.

Ein Held macht sich auf den Weg der Veränderung, der Entdeckung seiner „wahren Natur“ und des Lebens mit den gewonnenen Erkenntnissen.

Die Entdeckung der Heldenreise

  • Otto Rank, ein enger Mitarbeiter Sigmund Freuds, veröffentlicht 1922 „Der Mythos von der Geburt des Helden“ und spricht darin erstmals den sogenannten Elementargedanken an: Ein kollektives mythologisches Wissen, das in den verschiedenen Kulturkreisen unabhängig voneinander erzählt wurde.
  • 1934-54 entwickelt G.Jung seine Theorie der Archetypen und des kollektiven Unbewussten.
  • Auf beiden Büchern aufbauend, entwickelt Joseph Campbell 1949 in „Der Heros in tausend Gestalten“ seine Theorie des Monomythos, der einheitlichen Geschichte, die in jedem Menschen angelegt ist und nennt sie „Das Abenteuer des Heros“.
  • In den 70er-Jahren entdeckten der Filmregisseur George Lucas und nahezu zeitgleich der Theaterwissenschaftler, Regisseur und Schauspieler Paul Rebillot, Joseph Campbells Buch „Der Held in 1000 Gestalten“. Während es Lucas als Basis für seine „Star Wars-Trilogie“ verwendete, entwickelte Rebillot im direkten Kontakt mit Campbell ein Therapiemodell daraus.
  • Damals begann eine unbewusste Annäherung zwischen filmischen Erzählstrukturen und innovativen Therapiemodellen.
  • In weiterer Folge entwickelten die Biologin Lynn Margulis und der Biophysiker James Lovelock die so genannte „Gaia-Hypothese“ und der Biologe Rupert Sheldrake 1973 seine Theorie vom „morphischen/morphogenetischen Feld“. Beide Theorien wurden von der New Age-Bewegung aufgegriffen und sind ergänzende Bestandteile des Campbell‘schen Modells.
  • Inzwischen sind auch Systemische Strukturaufstellungen ein gebräuchliches Tool im Prozess des professionellen Story-Development.
  • 1984 entwickelten Keith Cunningham und Tom Schlesinger ihr Modell „The Screenwriter as a Storyteller“. Dabei ergänzten sie die ‚Aristotelische Handlungskurve‘ um zwei wesentliche Elemente. Erstens unter dem Begriff „Wounding“ – eine Traumatisierung der Hauptfigur, die vor dem Beginn der Filmhandlung, in der Pre-Story passiert und zweitens die Ebene des Unbewussten, in der die Folgen dieser seelischen Verwundung zur Dynamik ihrer Heilung führen.
  • Ab hier war die gleichwertige Unterteilung der beiden Erzählebenen in
    • Handlung/Bewusstes Verlangen/Ich will…. und
    • Thema/Unbewusstes Verlangen/Ich brauche…. obligatorisch
  • Diese Entwicklungen führten zu Christopher Vogler‘s Modell der „Heldenreise“. Vogler erweiterte das Strukturmodell um die Archetypen nach C.G.Jung, sowie deren Emanationen (Das Hervorgehen aller Dinge aus dem unveränderlichen, vollkommenen, göttlichen Einem).

 Die Heldenreise in der menschlichen Entwicklung

Das Muster der Heldenreise zeigt sich im Leben von Menschen häufig auf eine ähnliche Weise:

  • Im Leben eines Menschen gerät die scheinbaren Harmonie (Komfort-Zone) ins Wanken. „Der Ruf“ kann sich dabei als Sehnsucht oder als Problem manifestieren. Nach anfänglicher Weigerung folgt der Held doch dem Ruf, begegnet Helfern bzw. einem Mentor.
  • Im Versuch, seine Harmonie wieder herzustellen, geht der Held durch eine Krise und lernt Einiges über sich selbst. Er begegnet seinem „Dämon“, überwindet sein zentrales Trauma bzw. sein angstbesetztes Grundproblem und findet zu seiner inneren Stärke zurück.
  • Es erfolgen einige Prüfungen, in denen er seine neu entwickelte Stärke und das Gelernte anwenden und beweisen muss.
  • Am Ende des Prozesses weiß er, wer er wirklich ist.
  • Er und sein Leben kommen in die wahre Balance. Der Protagonist bewegt sich von der „Sklaverei in die Freiheit“, von der Fremdbestimmtheit in die Selbstverantwortung, vom „unerlösten Zustand zum erlösten“.

Letztendlich ist es eine Reise des Herzens, der Seele, des Geistes, die sich natürlich auch in den äußeren Handlungen und Lebensumständen ausdrückt.

Der Held reist auf zwei Wegen: Auf einem äußeren Handlungsweg und einem inneren Themenweg, bei welchem er in Kontakt zu seinem wahren Selbst kommt und einen Weg findet, diesem inneren Wesen in der alltäglichen Realität Ausdruck zu verleihen.

Der Mensch durchläuft dabei den Entwicklungs-Prozess auf zwei Bedürfnisebenen:

Ebene der bewusst verspürten Wünsche (desire-line)

  • Was will er?
  • Ursprüngliches Ziel
  • Handlungsebene
  • Kommt eher aus dem Ego / individuelle Wege, die unbewussten Bedürfnisse zu realisieren

Ebene der unbewussten Bedürfnisse (need-line)

  • Was braucht er auf einer tieferen Ebene wirklich?
  • Auf dieser Ebene ist ein ihm zu Beginn nicht bewusstes Problem verankert – inklusive der Notwendigkeit es zu lösen.
  • Tatsächliches Ziel
  • Themenebene
  • Entspringt dem Höheren Selbst / universelle Bedürfnisse der Menschheit

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